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Absolute Stille im Klassenraum. Es ist dunkel und aus einer Ecke klingt unbekannte, jedoch sehr wohlklingende Musik. Überall leuchten kleine Lichter, in der Mitte des Raumes brennen Kerzen. Die Stimmung ist festlich. Welche Bedeutung hat das Licht? Später werden Erfahrungen über festliche Speisen und Gebräuche ausgetauscht und in Fett ausgebackene Quarkbällchen verspeist, während die Dreidel des gleichnamigen Spiels fleißig gedreht werden und sich die Schülerinnen und Schüler auf diese Weise Süßigkeiten erspielen. Chanukka. – Nebenan ein ähnliches Bild. Die Kerzen auf dem Adventskranz leuchten, die Krippe ist aufgebaut, alle Schülerinnen und Schüler sitzen im Kreis, der Geruch von Tannenzweigen und Plätzchenduft durchströmt den Raum. Die Weihnachtsgeschichte verdeutlicht das Wunder um Jesu Geburt und die Bedeutung des Festes. Warum ist die Gemeinschaft so wichtig? Weihnachten. – Eine Tür weiter leuchtet eine Ramadanlaterne und wirft durch die vielen kleinen Schnitzereien schöne ornamentreiche Bilder an die Wand. Man wünscht sich gegenseitig „Eid Mubarak“. Viele Kinder probieren hier zum ersten Mal eine Dattel und erfahren, was es mit der süßen Frucht beim Fastenbrechen auf sich hat. Was bedeutet es, zu verzichten? Ramadan.
Diese Art von WeltSichten hat es so an unserer Schule noch nicht gegeben: 151 Schülerinnen und Schüler aus sieben Klassen des Jahrgangs 6 wurden im Zeitraum zwischen den Herbstferien bis zu den Weihnachtsferien in völlig neuen Konstellationen von sieben Lehrkräften durch das Projekt zum Thema „Feste und Feiern in den drei monotheistischen Religionen“ geführt. Begleitet wurde dieses Pilotprojekt durch Katharina Gaida von der Uni Kassel und Anke Trömper vom rpi (Religionspädagogisches Institut https://www.rpi-ekkw-ekhn.de/home/rpi-orte/kassel/region).
Das Ziel war es, fächerkooperierend und interreligiös tatsächliche Begegnungen zu ermöglichen. „So ist es bei mir – wie ist es bei dir?“ lautete dementsprechend unsere grundlegende Fragehaltung.
Die Fächer Ethik und Religion beschäftigen sich jeher mit verschiedenen religiösen, areligiösen, aber auch völlig säkularen Weltsichten. Dadurch ermöglichen sie es den Schülerinnen und Schülern, Fragen zu stellen, Einblicke in andere Kulturen zu erhalten, Religionen und Weltsichten kennenzulernen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und fremde Haltungen ebenso wie die eigenen zu reflektieren. Bislang taten wir dies jedoch getrennt voneinander und haben daher angestrebt, miteinander statt übereinander zu sprechen.
Im September 2023 fanden Auftaktgespräche statt: Was wollen wir erreichen, was benötigen wir dafür, welche Ressourcen haben wir zur Verfügung?
Über nahezu ein ganzes Schuljahr hinweg sichteten wir das Curriculum, erkundeten die Sammlung des rpi, planten und entwickelten Unterrichtsideen und -materialien, tauschten uns aus, präsentierten erste Vorschläge und überprüften diese kritisch. Wir legten gemeinsame Dialogregeln fest und einigten uns darauf, die Unterrichtsräume so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst vielseitige Erfahrungen sammeln konnten. Lena, Nour, Esther und Emil – vier von uns Lehrkräften kreierte Charaktere – begleiteten die Lernenden in diese Räume und tauchten in den Arbeitsmaterialien immer wieder als Identifikationsfiguren auf. In den Räumen wurden an Stationen verschiedene Materialien erarbeitet, Filme geguckt, Musik gehört, gebastelt, gespielt und gegessen. Der unmittelbare Austausch mit anderen über eigene Erfahrungen wurde dabei immer wieder angeregt. In Form von Lapbooks hielten die Lernenden schließlich die Ergebnisse fest und reflektierten sie.
Die Rückmeldung zum Projekt WeltSichten erfolgte über einen digitalen Fragebogen. Die Ergebnisse waren positiv: „Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer fand das Projekt interessant und motivierend. [Es] war erfolgreich darin, neue Perspektiven zu vermitteln. Die Möglichkeit, andere Religionen und Kulturen kennenzulernen, wurde besonders geschätzt.“

„So ist es bei mir – Wie ist es bei dir?“ kann also vielleicht die grundlegende Fragehaltung sein, mit der wir uns zukünftig begegnen werden. Möglicherweise ist dies ein Weg in die Zukunft, in der Schule als Lernraum zeigen kann, wie heterogene Weltinterpretationen gelingen können.

Ein großer Dank geht an alle engagierten Kolleginnen und Kollegen, die dieses Projekt ermöglicht haben sowie an Katharina Gaida und Anke Trömper.